Reha – Wie die Zeit vergeht

Nach der Chemo (7 Zyklen in 16 Wochen) und Entlassung aus dem Krankenhaus Ende November 2012 war ich noch sehr schwach und wacklig. Gehen über eine längere Strecke (Flur der Station konnte ich alleine bewältigen) ging nur mit Begleitung. Die Begleitung musste mich dann manchmal an die Hand nehmen.
Es war nur ein sehr langsames und unsicheres Laufen möglich. Ich fühlte mich total schwach, jeder Schritt kann zu einem Abenteuer werden. Jede Treppe zu einer Herausforderung, die man am liebsten nicht machen möchte.

Jetzt möchte ich ein paar Dinge schreiben, die auch in der Reha (Nach-Krankenhauszeit) vorgekommen sind.
Quasi einen Zwischenbericht.

Brote schmieren und schneiden ging nicht, die Feinmotorik war zu grob und sporadische Ataxie (Störung der Bewegungskoordination, unkontrollierte und überschüssige Bewegungen) waren dagegen.
Essen (auch Brote) war nur mit Gabel möglich und Trinken ging nur mit einem Strohhalm. Getränke einschenken ging zum einen wegen der fehlenden Kraft und zum anderen wegen der Ataxie nicht.
Und dann waren / sind da noch die Nachwirkungen / Nebenwirkungen der Chemo die mich negativ beschäftigen (im wahrsten Sinne des Wortes). Nächtliches Schwitzen zum Beispiel, Juckreiz.

An Treppensteigen (selbst mit am Geländer festhalten und Begleithilfe) war nicht zu denken.

Ab der 3. Woche in der Reha Februar 2013 verbesserte sich dann das Gehen und die Feinmotorik. Die Ataxie ließ etwas nach. Gehen und konzentrierte Feinmotorikübungen waren (und sind noch heute) recht anstrengend.
Ich dachte ja vor der Reha: „Nach der Reha ist alles wieder so wie vor der Erkrankung“ – Pustekuchen

Viele Freunde und Bekannte sehen ja nur wie ich jetzt aussehe und mich gebe. Oft höre ich dann so Dinge wie „Das wird schon wieder“, „Du musst was tun“, „Jeden Tag ein wenig mehr“, „Das sieht aber sehr gut aus“, usw.
Man kann viel dahersagen, wenn es einen nicht selbst betrifft. Auch Familienmitglieder sind da manchmal etwas ‚blauäugig‘.
Ich kann (bin halt nicht so ein ausdauernder und ehrgeiziger Typ) nicht immer all das machen was andere für gut halten. Als Gesunder kann man auch die persönliche Grenze überschreiten bzw. daran arbeiten. Dann erholt man sich wieder. Manchmal bin ich schon froh das ich vor Erschöpfung nicht umfalle. Stürzen (ggf. mit einer Verletzung) ist blanke Horror für mich und, toi toi toi, ich will es nicht darauf ankommen lassen.

Inzwischen hat sich die PNP (sensomotorische Polyneuropathie) durch eine Elektroneurographie-Untersuchung im Januar 2014 bestätigt und dies bedeutet das es wohl sehr lange dauert bis die Folgen weggehen. Wenn ich Pech habe bleibt es beim Stand X.

Reden / Sprechen ist zwar auch viel besser geworden, aber eine längere Sprechzeit ist anstrengend. Anfangs hörte ich mich selbst auch nur blechern und auch mein Gegenüber hatte es nicht leicht mich zu verstehen. Vor der Erkrankung plapperte ich einfach darauf los, ohne über die Wortwahl nachzudenken. Heute muss ich erst überlegen und dann formulieren. Längere Gespräche erfordern eine längere Erholungsphase.

Aufstehen von einem Stuhl, der Couch, aus dem Bett ist nur mit Abstützen möglich. Und manchmal braucht es mehrere Anläufe bis es klappt. Dann heißt es Stabilität zu finden und die Beine gerade halten.
Gerade das morgendliche Aufstehen ist recht mühsam, die Knochen / Gelenke sind noch nicht so beweglich. Einfaches Aufspringen ist undenkbar. Erst einmal seitlich die Beine aus dem Bett bringen, mit den Händen abstützen und in die Sitzposition drücken. Dann mit Abstützen (zuerst auf dem Knie, danach auf den Oberschenkeln) in die Stehposition drücken. Meist dauert es etwas bis ein gerades Stehen möglich ist.

Generell ist meine Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt, Gedächtnisstörung kommt mit Erinnerungslücken und verzögerter Erinnerung, Wortfindung daher. Vieles muss mehr nacheinander gemacht werden, als gleichzeitig. Ich bin auch Geräuschempfindlicher geworden, Bohren und Hämmern sind ganz schlimm. Der Stuhlgang (Verstopfung mit Schmerzen) und Durchfall ist eindeutig besser geworden. Hin und wieder gibt es Tage ohne Stuhlgang, der dann durch Sauerkraut wieder in Gang gebracht wird.

Inzwischen ist das Gehen schon besser geworden. Gelegentliche Spaziergänge hier im Wohnstraßenbereich und manchmal eine Treppe mit 66 Stufen werden bewältigt.
Immer ist eine Sitzpause auf der Bank neben dem Sportlerheim nötig.

Ich kann sogar freihändig die Treppe mit 66 Stufen bewältigen. Es sieht dann zwar aus als wenn ich betrunken wäre, aber es geht. Mehrmalige Erholungspausen sind auch noch nötig. Da merke ich dann oft die Grenze meiner Leistungsfähigkeit.

Bei allen Tätigkeiten muss ich konzentriert an die Sache gehen.
Ablenkung ist kontraproduktiv und führt auch manchmal zu unerwünschten Dingen. Zum Beispiel beim Essen und Trinken ist ein Kopfdrehen der Auslöser für ein Verschlucken. Oder das schnelle Schauen über das „Ziel“ (beim Gehen muss ich Füße und Untergrund im Auge behalten) hinaus, bringt Schwindel und lässt mich noch unsicherer Gehen.

Greifen und Führen von Gegenständen ist auch nur mit Konzentration möglich. Ich habe nicht ein normales Griffgefühl, es fühlt sich sehr ‚dünn‘ (ich kann es nicht anders beschreiben) an. Hin und wieder sind die Empfindungs- und Funktionsstörungen stärker ausgeprägt, sodass dann auch unkontrollierte und überschüssige Bewegungen der Arme auftreten (Ataxie). Es kann schon mal passieren das dann ein Gegenstand durch die Gegend fliegt.

Auch bin ich sehr schreckhaft geworden. Kleinste Geräusche werden stärker wahrgenommen, als vor der Erkrankung. Lärmempfindlichkeit verhindert auch den Aufenthalt bei größeren Menschenansammlungen oder Veranstaltungen mit Musik.
Der Geruchsinn hat sich mit all den positiven und negativen Begleiterscheinungen ebenfalls verstärkt. Hin und wieder schmerzen Muskeln, Knochen und Gelenke.

Es gab / gibt viele Dinge die vor der Erkrankung wie selbstverständlich mit wenig Aufwand zu bewältigen waren. Zum Beispiel der nächtliche Toilettengang, Kleidung anziehen, das Schneiden der Finger- und Fußnägel, Bart und Haare schneiden, usw.
Fingernägel schneiden kann ich inzwischen selber, dauert bis zu einer dreiviertel Stunde. Aufpassen muss ich dann, dass keine überschießende Bewegungen (Wackeln und Zittern mehr als sonst) erfolgen. Auch Bartscheiden kann ich nun, das Anheben der Arme auf Kopfhöhe ist aber sehr anstrengend.

Nicht umsonst habe ich heute noch einige Therapien, und zwar: 2 x wöchentlich Ergotherapie, 2 x wöchentlich Physiotherapie, 1 x wöchentlich Sprachtherapie.

Die Reha 2014 hatte einiges gebracht. Kleine Spaziergänge auf ebenen Wegen sind ohne Begleitung möglich. Das Laufband-Training (ohne Festhalten geht es aber nicht) brachte mehr an Ausdauer beim Gehen. Treppensteigen und Balance halten hat sich wieder etwas verbessert.

Jeden Tag bin ich mindestens einmal in den Kurpark gegangen, habe dort immer die gleiche Strecke zurückgelegt, Pause (5 Musikstücke lang) auf einer Bank gemacht, dann zurück, im Foyer wieder eine Sitzpause und dann die Treppe hoch bis auf die 4. Etage. Mein Zimmer war das Vorletzte auf dem 33 m langen (bis Aufzüge und Treppenhaus) Flur, ich hatte also genug Laufpensum am Tag.

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. – Mit Mühe und in kleinen Schritten kann man etwas erreichen.
Wenn es so wie bisher weitergeht, möchte ich mich nicht beklagen. Hauptsache ein Wiederauftreten eines Tumors bleibt aus.

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